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Anständig essen : ein Selbstversuch / Karen Duve

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Jonathan Safran Foer („Tiere essen“) hat es letztes Jahr vorgemacht und sich intensiv mit Fragen und Recherchen zu Massentierhaltung, Lebensmittelindustrie und Tierethik auseinandergesetzt. Karen Duve sah sich eines Tages im Dezember 2009, in der Hand ein Fertiggericht mit Huhn, mit ihrem schlechten Gewissen konfrontiert. Kurz zuvor war sie mit jemanden zusammengezogen, der ihre Ernährung mit kritischen Bemerkungen begleitete und dafür den Spitznamen „Jiminy Grille“ erhielt. Und so beginnt Duve sich zu fragen, ob man Tiere eigentlich essen darf, wie man sie halten sollte, um dieses Opfer der Tiere, ihre unsäglichen Lebensbedingungen und ihre Qual zu rechtfertigen – und wo in dieser Diskussion eigentlich die Pflanzen bleiben.
Duve beschliesst, sich in mehreren Stufen im Selbstversuch konsequent anders zu ernähren, beginnt mit Biokost, dann mit vegetarischer, veganer und schliesslich mit frutarischer Ernährung. Parallel recherchiert sie intensiv über Tier- und Pflanzenproduktion, sucht den Kontakt mit Biobauern, Veganern, Frutariern, besichtigt legal und illegal konventionelle und „biologische“ Tierhaltungsbetriebe. Und sie setzt sich intensiv mit der gerade aktuellen Ernährungsform auseinander, ihren jeweiligen rationalen und (teilweise ausgeprochen irrwitzig-komischen) ideologischen Hintergründen. Ausserdem reflektiert sie über ethische Fragen im Zusammenhang mit der Aufzucht, Haltung und Verwertung von Tieren, über die Konsumgesellschaft und ihre Entfremdung gegenüber der Herkunft ihrer Lebensmittel und anderer Produkte. In die Kapitel sind auch immer wieder Meldungen über aktuelle Ereignisse eingeflochten, die direkt oder indirekt mit Klimawandel, Massentierhaltung etc. zu tun haben.
jetzt könnte man erwarten, einenhochverknorzten Bericht mit wolkenkratzergroßem moralischen Zeigefinger vorzufinden. Weit gefehlt. Denn Karen Duve hat Humor: und obwohl sie ihr Anliegen durchaus ernsthaft und konsequent verfolgt, schützt ihr lakonischer Humor und ihre Selbstironie das Buch davor, zur verknöcherten Botschaft zu werden. Am Ende des Buches will sie sich entscheiden, wie sie sich in Zukunft ernähren will. Und sie trifft diese Entscheidung auch und macht es sich damit nicht einfach, weil es eben keine einfache Entscheidung ist, wenn man so tief hinter die Kulissen der Lebensmittelindustrie und menschlicher Gewohnheiten und Entschuldigungen geguckt hat.
Dem Leser, im Falle von Jarg selbst seit über zwanzig Jahren Vegetarier, geht es nicht anders: auch wenn man sich bewusst ernährt, Leid und Ressourcenverschwendung zu vermeiden sucht, scheint unser Leben doch ein Kompromiss zu sein mit dem Leben von Pflanzen und Tieren, der allzu oft zu Ungunsten der Tiere ausfällt und auch ein Glas Biomilch nicht „frei von Schuld und Verantwortung“ sein lässt, wenn man genauer hinsieht, was der Mensch macht, damit eine Biokuh ihm ihre Milch gibt. Positive Entschlüsse nach der Lektüre von Karen Duves Buch könnten sein: mehr über das zu reflektieren, was man konsumiert und isst; achtsamer zu sein gegenüber Tieren, Pflanzen und den Menschen, die diese Tiere und Pflanzen und ihre Produkte für unser leibliches Wohl aufbereiten; nachzufragen, woher etwas kommt, wie es erzeugt wird; mehr Respekt zu haben vor dem Tier, wenn man denn schon meint, es verzehren zu müssen: „Es gibt nämlich noch etwas Schlimmeres, als das Denken zu verweigern – die Zusammenhänge zu kennen, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen“ (S. 318).

2 Kommentare zu “Anständig essen : ein Selbstversuch / Karen Duve

  1. Wichtiges und empfehlenswertes Buch, genau wie der Titel von Foer. Wie schön, dass die Zeit endlich reif ist für diese Art von Wahrheit, der man sich nicht mehr so einfach verweigern kann, wenn sie auf den bestsellerlisten steht!
    Gruß von Frau Reimerlei, weitgehend tierfrei mampfend

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    • Vor gut zwanzig Jahren war man als Vegetarier ja noch der Totalexot („Sie essen kein Fleisch? Macht nichts, wir haben Hühnchen“) … da hat sich zum Glück schon viel geändert. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Menschen weniger und bewusster Fleisch essen würde und sich klar machen, dass es nicht aus der Kühltruhe, sondern von einem Lebewesen stammt. Von der Quälerei der Massentierhaltung ganz zu schweigen … Grüsse von Jarg, der sich nach 23 Jahren ohne Fleisch Tierteile auf dem Teller gar nicht mehr vorstellen kann

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