Im Augenblick haben es Jarg offensichtlich Familienromane besonders angetan wie zuletzt „Am Ende eines Sommers“. Und jetzt dieser ersten Roman der Britin von Natasha Rosenblum, die eine deutsch-jüdische Großmutter hat!
Familie Rosenblum, Jack, Sarah und ihre kleine Tochter Elizabeth flüchten 1937 vor Nazideutschland nach Harwich und schliesslich nach London. Jack hat nach der Flucht nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich so englisch wie möglich zu sein, um in der englischen Gesellschaft als vollwertiges Mitglied anerkannt zu sein. Die Broschüre „Neu in England: Nützliche Informationen und freundliche Anleitung für Flüchtlinge“, die ihm bei der Ankunft in die Hand gedrückt wird, arbeitet er dafür akribisch durch und ergänzt sie um zahlreiche seiner Ansicht nach notwendige Eigenschaften, die einen echten Engländer ausmachen und die er systematisch abzuarbeiten trachtet. Tatsächlich gelingt ihm innerhalb von 15 Jahren der Aufstieg zu einem erfolgreichen Teppichfabrikanten mit Jaguar und maßgeschneidertem Anzug.
Doch natürlich fehlt etwas: die Mitgliedschaft in einem Golfclub, die ihm als Deutschen und Juden britisch höflich, aber beharrlich verweigert wird. Da seine Tochter mittlerweile eigene Wege geht, beschliesst er, mit seiner Frau nach Dorset zu ziehen und einen eigenen Golfplatz zu bauen. Doch unter den eigenwilligen Countrysidebewohnern bleibt er zunächst ein belustigt betrachteter Fremdkörper. Mit Hartnäckigkeit bleibt Jack bei seinem Vorhaben und scheint sich auch von mysteriösen Wollschweinen, skeptischen Dorfbewohnern , wachsenden Geldsorgen und dem widerspenstigen Grundstück nicht davon abhalten zu lassen. Seine Frau Sarah dagegen leidet unter Jacks Ambitionen. Sie ist bestrebt, die schmerzlichen Erinnerungen an den Verlust geliebter Menschen und ihrer Herkunft im Holocaust wachzuhalten und ihre eigene Identität zu wahren. Beide scheinen sich auseinanderzuleben, doch dann kommt mit Hilfe der Landbewohner, einer Menge Cider und einem glücklichen, mit der Krönung Elizabeth der II von England verbundenen Zufalls alles ins Lot.
Ein wunderbarer, feinhumoriger und berührender Roman mit bemerkenswertem leicht ironischen Blick auf englische Eigenarten und Charaktere. Liebevoll gezeichnete, zum Teil schräge und exzentrische Figuren, ein gut konstruierter Spannungsbogen, der immer wieder eine passende neue Volte bietet, machen es zu einem ausgesprochen angenehm zu lesenden Buch. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich unter der Familiengeschichte und der Schilderung von englischen Eigenarten auch die psychologisch überzeugend aufbereitete Geschichte einer Ehe vor dem Hintergrund der Judenverfolgung im Dritten Reich, vor Holocaust, Flucht und Exil steht. Beide Ehepartner finden unterschieliche Wege, um sich in der neuen Umgebung mit dem Trauma der Flucht und der Ausgesetztheit in einer zunächst total fremden Gesellschaft zurechtzufinden.
Ein empfehlenswertes Buch, bewegend, mit großer Liebe zu den Protagonisten und mit feiner Ironie geschrieben.