„Ich will, dass alles hier endlich explodiert, die ganze Fassade muss uns um die Ohren fliegen“ (Zitat aus „Was kostet die Welt“)
Kettenraucher Meise ist Ende Zwanzig, lebt ohne konkrete Zukunftsplanung in den Tag hinein und verdient seinen kargen Lebensunterhalt am Tresen einer Kneipe in Berlin. Unerwartet erbt er 15000 Euro von seinem Vater. Da der nie rausgekommen ist, Meise grundsätzlich ein anderes Leben führen will als sein Vater und dessen Geld deshalb unbedingt ausgegeben werden muss, investiert Meise das Geld in eine Reise um die Welt. Als er zurückkehrt, ist noch etwas übrig: also macht er sich ins Moseltal auf zum Weinbauern Flo, den er auf dem Dach eines New Yorker Lofts kennengelernt hat. Für den Großstädter und Tunichgut Meise kommt der Kontakt mit der tiefen deutschen Provinz, mit Klein- und Spießbürgertum einem Kulturschock gleich. Die Nacht mit Judith, der Verlobten von Flo, stösst ihn dann endgültig über den Rand: Meise zieht schonungslos die schützende Decke von der heilen Welt der Bürgerlichkeit und der Familie. ihrer Doppelmoral, ihrem vermeintlichen Welterkenntnissen und ihrem konstruierten Lebenssinn.
Mit dem zynischen, bitterbösen, arroganten und trotzdem in seinem dauernden selbstreflektierten Scheitern sympathschen Meise ist Nagel ein Antiheld gelungen, dessen Bericht von einem Leben am Rande der bürgerlichen Masse, immer nur zwei Handbreit vor dem Verlust der Selbstkontrolle, man nicht mehr aus der Hand legen mag. Scharf und schonungslos beobachtet und kommentiert Meise die Gesellschaft und ihre doppelbödigen Sinnzusammenhänge, ihre Fassaden, die sich schnell als hohl und konstruiert erweisen. Meise selbst kommt aus einer an eben dieser Gesellschaft zerbrochenen, einstmals nach aussen als heil präsentierten Gesellschaft und scheitert stets daran, Bindungen einzugehen, sich festzulegen, einen Weg zu finden. Konfrontiert mit Meise analytisch-scharfer Weltsicht, die dem Leser trotz der Antiheldenposition schnell vertraut wird, hinterfragt man am Ende sich selbst und den Grad der eigenen „Bürgerlichkeit“. Und hofft, ja weiss, dass Meise, der groß im Scheitern ist an sich und der Welt, auch wieder aufsteht.
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