Wer sich intensiver mit der der sich in diesem Jahr zum 200 mal jährenden Geschichte des Fahrrades auseinandersetzen wollte, kam eigentlich an der seit Ende 2016 laufenden Sonderausstellung des Technoseums in Mannheim nicht vorbei. Eine Reise ins Schwabenländle nutze ich daher im März, um mir die entsprechende und überaus sehenswerte Ausstellung anzusehen, die mit etlichen exotischen Exponaten und zum Teil überraschenden Erkenntnissen und Einsichten zur Kultur- und Verkehrsgeschichte des Fahrrades zu glänzen weiß.
Begleitend zur Ausstellung im Technoseum ist auch ein reich illustrierter Katalog erschienen, der nicht nur etliche Exponate aus der Ausstellung aufführt, sondern sehr kundig durch verschiedene mit dem Fahrrad, seiner Technik und seiner Geschichte verbundene Bereiche führt. So wird nicht nur die durchaus komplexe, in Teilen erst in jüngster Vergangenheit erschlossene Physik des Fahrradfahrens erklärt, sondern auch intensiv auf die Entwicklungsgeschichte des Fahrrades, die Grundtypen, den Weg zur industriellen Massenproduktion und die technischen Verfeinerungen in den letzten drei Jahrzehnten eingegangen. Natürlich wird auch Freiherr von Drais entsprechend gewürdigt, dessen Erfindung ihm leider nicht die erhofften Einnahmen brachte und erst Jahre nach seinem Tod erfolgreich wurde.
Der frühe Radsport auf noch ganglosen Maschinen mit seinen zum Teil bizarren Ausprägungen ist ebenso Thema wie das Fahrrad als Spielzeug der gehobenen Klassen, Vehikel zur Politisierung der Arbeiterklasse durch die Gründung von Arveiter-Radfahr-Vereinen und die mit dem Schwenk vom Handwerk zur Massenerzeugung einhergehende Entwicklung des Fahrrads als Massenverkehrsmittel, das technisch dem frühen Automobil oft voranging. Die Krise des Fahrrads nach dem zweiten Weltkrieg durch die zusehende Motorisierung wird breit beleuchtet: in der Folge wurde das Fahrrad eher als Kinder- und Jugendgefährt gesehen und kam bei Erwachsenen allenfalls noch als mehr oder minder bequemes Klapprad zum Einsatz, das sich leicht im Auto mitnehmen liess. Die autogerechte Zurichtung der Städte, an deren Folgen wir auch heute noch leiden, trug ihren Teil dazu bei, das Fahrrad als Verkehrsmittel unattraktiv zu machen.
Erst die Umweltbewegung entdeckte das Fahrrad wieder neu: in Verbindung mit einigen Städten, die sich bereits seit Jahrzehnten der Stärkung des Radverkehrs widmen (ausführlich geschildert am Beispiel Freiburgs), hat das Fahrrad in den 1990er und 200er Jahren wieder massiv an Ansehen gewonnen und wird auch verkehrspolitisch verstärkt wahrgenommen. In Verbindung mit ausgefeilterer Technik und einer starken Diversifizierung der Grundtypen bis hin zum Mountain-Bike, Gravelracer, Fixie oder Trekking-Rad geht das Buch auch auf die Entwicklung des Fahrrads zum Lifestyle-Gegenstand ein, der insbesondere bei jungen Leuten alternativ zum Auto steht, das in manchen Teilen der Bevölkerung zusehends an Attraktivität verliert.
Das opulent bebilderte und inhaltlich ausgesprochen reichhaltige Buch sei allen Velosophen, Velonauten, Veloholikern und sonstigen Fahrradfreunden wärmstens empfohlen!
Hat dies auf Allerlei rebloggt und kommentierte:
Alles Gute Fahrrad!!!
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