Montagris, eine Kleinstadt 100 km vor Paris. Der 15jährige Émile hat es nicht einfach: da seine Eltern mit dem Hausbau nicht vorankommen, wohnen sie in einem Wohnwagen neben der Baugrube und er schläft in einem kleinen Zimmer im Haus der Nachbarn. Sein etwas prolliger Vater dreht Leuten in Paris an der Haustür Sicherheitstechnik an, der prügelfreudige ältere Bruder ist beim Militär und nur am Wochenende da und seine emotional unterkühlte Mutter oft ziemlich nervig. Im Gegensatz zu den anderen Jungs ist er auch nicht gerade ein Frauenschwarm und hofft, eines Tages bei einem Mädchen mehr mit inneren Werten punkten zu können, was sich als schwierig erweist, wenn einem die Mutter regelmäßig die Haare blondiert. Also schreibt Èmile erstmal Tagebuch und träumt.
Aber eines Tages lächelt ihn Pauline an: seitdem ist er unsterblich in sie verliebt. Das Problem: Pauline kommt aus einer reichen Familie, wohnt mit ihrer wunderschönen Mutter und dem strengen Vater, einem Dirigenten, in einer Villa und scheint zunächst unerreichbar. Doch schon bald wird klar, dass Pauline sich für ihn interessiert. Als sie ihn dann zu einem Geigenkonzert nach Venedig einlädt, kann Èmile sein Glück nicht fassen. Seine Freude gleitet aber bald in Entsetzen ab, als er statt allin mit der Bahn in Begleitung seiner kompletten peinlichen Familie samt Wohnwagen nach Venedig reisen soll. Es beginnt einer Reise der besonderen Art, nach der für Èmile nichts mehr so ist wie zuvor …
Ivan Calbérac ist ein literarisches Roadmovie der besonderen Art gelungen. Geschildert aus der Sicht des 15jährigen stehenden adoleszierenden Protagonisten, erzählt uns der Autor eine schräge, herzerwärmende und mit feinem Humor gewürzte Geschichte über das Erwachsenwerden, die erste große Liebe und erste sexuellen Erfahrungen. Der Jugendroman ab 14 Jahren vermag auch jene Erwachsenen zu fesseln, die sich noch ohne unangebrachte nachträgliche persönliche Glorifizierung in die eigene jugendliche Vergangenheit und die damit verbundenen Irrungen und Wirrungen zurückversetzen können, und überzeugt mit Spannung, Witz und subtiler Zartheit an den richtigen Stellen. Der Roman, dessen Verfilmung im Sommer 2019 in die Kinos kam, wird von mir gerne empfohlen.