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Vollbremsung : Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen / Klaus Gietinger

Automobilindustrie, ADAC und Politiker als Teil eines Drogenkartells, das erfolgreich Autojunkies erzeugt: diese Aussage mag man auf den ersten Blick als überzogen und polemisch betrachten, doch Klaus Gietinger bietet einiges an bedenkenswerten Fakten und Argumenten auf. Das Auto hat wie kaum eine andere technische Errungenschaft zur Zerstörung unserer Umwelt und unseres Klimas beigetraten, tötet jedes Jahr Millionen Menschen im Versprechen grenzenloser, freier und tatsächlich von immer mehr Stau betroffener Mobilität und verschlingt allein schon in der Herstellung, aber auch in der Nutzung immense Ressourcen, die anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnten oder sogar ohne dramatische Wohlstandsverluste vermeidbar sind.

Überzeugend führt Gietinger aus, wie die Autolobby der Gesellschaft über Jahrzehnte die Unverzichtbarkeit des Autos verkauft hat und welchen hohen Preis wir dafür Zahlen: mit unserer Gesundheit, mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und der massiven Verschwendung öffentlichen Raumes und der damit verbundenen Lebensqualität in unseren Kommunen. Das Auto als Massenvernichtungswaffe durch Unfalltote und -verletzte, der Anteil an der Klimakatastrophe und der exorbitante Flächenverbrauch durch den motorisierten Individualverkehr sind dabei ebenso Thema wie die vermeintliche Verbesserung der Mobilität bis hin zum Elterntaxi und der Tatsache, dass wir zwar weitere Strecken fahren, aber sich die Zeit, die man unterwegs ist, seit Jahrzehnten nicht verändert hat. Zugleich arbeitet er sauber heraus, dass die Autoindustrie bei weitem nicht der große Faktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seinen Arbeitsmarkt ist, wie es von VDA, Scheuer und Co. immer wieder herausgestellt wird.

Eingehend beleuchtet Gietinger das „Drogenkartell“ der Autokonzerne und macht deutlich, wie fatal das lange erfolgreiche Zusammenspiel von Konzernen, Politik, Gewerkschaften und ADAC sich auch heute noch auswirkt, wenn am Auto Kritik geübt wird, und nimmt selbst die GRÜNEN nicht aus seinen Vorwürfen heraus. In den Skandalen der Autoindustrie der letzten Jahre sieht er eine Chance, die gesellschaftlichen und verkehrspolitischen Fehlentwicklungen zu korrigieren, räumt aber zugleich mit den überzogenen Hoffnungen auf, die beispielsweise in Elektroautos, alternative Kraftstoffe oder Autonomes Fahren gesetzt werden: für Gietinger ist klar, dass die Rettung nicht von anderen Autos kommt, sondern von einem grundsätzlich revolutionierten Verkehrssystem, dass uns vom Auto als Individualfahrzeug weitgehend befreit, unsere Städte und Gemeinden wieder lebenswert macht, öffentliche Räume öffnet und dabei enorme gesellschaftliche Verbesserungen möglich macht.

Ein überaus lesenswertes Buch, dessen hoffnungsvolle Utopien bis hin zur Abwicklung des Drogenkartells Autoindustrie ich in Anbetracht der starken Verflechtung von Autolobby und Politik nicht immer teilen mag, dem ich aber trotzdem breite Aufmerksamkeit wünsche: Gietinger bringt auf den Punkt, was in der Verkehrspolitik über Jahrzehnte falsch gelaufen ist und benennt die Verantwortlichen dafür.

6 Kommentare zu “Vollbremsung : Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen / Klaus Gietinger

  1. „…in Anbetracht der starken Verflechtung von Autolobby und Politik nicht immer teilen mag, …“ und exakt daran kranken, global alle dringend zu lösenden Probleme der Menschheit, was für mich die Frage aufwirft, wer den Lobbyistenkonzernen, sei es die Zucker-, Lebensmittel-, Fleischindustrie, die Autoindustrie die Chemie- oder Pharmaindustrie denn diese Macht verliehen hat und, viel wichtiger, wie sie diesen zum Gemeinwohl der allermeisten wieder abzunehmen ist. Wir haben die Ideen, die Technik, die Möglichkeiten, wer hat was davon wenn gebremst wird?

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    • All jene wenigen profitieren, die die Macht haben und vor allem das Geld. Desinformationskampagnen etwa zum Klimawandel werden ja nicht zufällig von Ölkonzern und reichen Trusts gesponsert. Es ist schon bitter, aber erst wenn wir merken, dass Lebensqualität nichts, aber auch gar nichts mit Konsum zu tun hat, wird sich etwas ändern. Ich fürchte bloss, dass die Einschläge schon sehr nah kommen müssen, bis sich endlich etwas bewegt.

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      • *seufz* Ja, da stimme ich dir zu. Wobei ich viel Hoffnung auf die Kids setze. Viele Altersgenossen meiner Söhne sind mittlerweile nicht mehr scharf drauf den Führerschein zu machen, leider ist das auf dem Land immer noch nötig, denn per Rad oder nocvh unzuverlässiger weil kaum fahrbereit ÖPNV geht nicht alles. Ich hoffe nur, wenn ich mal wie bereits so viele hier zu wackelig und dement zum Fahren bin, falls ich mir das Pendeln noch leisten kann ohne Haus und Hof zu verkaufen es tatsächlich praktikable Alternativen gibt.
        Die Einschläge kommen eindeutig schon näher

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      • Ich denke ja immer, dass die Moia-Shuttles, die fast immer leer durch Hamburg fahren, eigentlich besser für den ländlichen Raum wären, um dort den ÖPNV zu unterstützen. Es ginge so viel, wenn wir uns nicht an den Gewohnheiten festhalten würden – und entspannter wären am Ende auch alle. Schätze aber, dass dem noch unsere Wirtschaftsform entgegensteht: so lange vermeintlich mögliches ewiges Wachstum die heilige Kuh ist und Konsum das am Laufen halten muss, wird sich nicht viel ändern. Zum Glück wachsen die Zweifel. Und ja, Autos sind auch bei unseren Kids nicht Thema. Eher als nervige „Gegner“ beim Radfahren.
        Trotz allem: Apfelbaum pflanzen und so. Wir haben schon viel erreicht und dürfen das auch nicht aus dem Blick verlieren trotz der anstehenden Klimakrise und anderen Verwerfungen unserer Zeit.

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  2. So ein Spinner. Soll er doch zurück in eine Bauernkultur und morgens um 5 Uhr aufstehen um Kühe zu melken. Solche Leute wie Gietinger sind die entarteten Produkte einer völlig verblödeten Bildungsgesellschaft.

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