Wir wissen heute eine Menge über die Geschichte der Menschheit und die Bandbreite unserer Erkenntnisse wird unter anderem gespeist von archäologischen und paläontologischen Funden sowie tiefgreifenden genetischen Analysen. Lewis Dartnell, der vor kurzem mit seinem „Handbuch zum Neustart der Welt“ für Aufmerksamkeit sorgte, geht der Geschichte des Lebens und damit auch unserer Entwicklung und Geschichte in buchstäblich tiefschürfender Weise auf den Grund: für ihn liegt die lokale und globale Ausprägung des Lebens und seiner Erscheinung schon in der Entstehungsgeschichte des Planeten Erde und in seiner Geologie begründet. So erklärt sich aus seiner Sicht nicht nur, warum Leben überhaupt entstehen konnte, sondern auch, warum sich bestimmte Orte die menschliche Evolution vorantrieben und natürliche Faktoren die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, die Gründung von Städten, den Handel über Land und See oder gar die Errichtung eines engmaschigen U-Bahn-Netzes begünstigten.
Dartnell beginnt mit dem Ostafrikanischen Graben, erläutert, was ihn für die menschliche Evolution so besonders macht, und zieht danach den Bogen größer: die über die Erdzeitalter extrem unterschiedliche Verteilung der Landmassen, ihr Einfluss auf Klima und Meeresströme und damit auch auf Massenaussterben und Artenvielfalt spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Entstehung von Elementen im Prozess der Sternentstehung und des Sternzerfalls und ihre Verteilung in der Erdkruste, womit sich auch die Rohstofflager und ihre regional ungleiche, Einfluss auf örtliche Zivilisationen nehmende Verteilung erklären lassen. Rasch wird auch klar, welche Rolle die Geographie bei der Ausbildung lokaler und globaler Mächte spielte und spielt, wie Metall- und Mineralvorkommen, Handelsrouten und Nomaden den Lauf der Geschichte und der Zivilisation beeinflussten. Die Ausnutzung der globalen Wind- und Meeresströmungen ermöglichte schließlich eine weitreichende Besiedlung des Planeten und ein engmaschiges System von Handels- und Kulturkontakten.
Letztlich, so Dartnell, haben die Kräfte des Universums, manifestiert in der Entstehung von Sternen und Sternsystemen, unsere Umwelt hervorgebracht, die wiederum Einfluss auf die Entwicklung des Lebens genommen hat, als deren Produkt wir uns betrachten müssen. Zugleich streicht Dartnell heraus, welche mächtigen globalen Wirksysteme unseren Planeten formen und immer noch Formen: Erdöl und Kohle entstanden über jeweils lange geologische Zeiträume und sorgten so für die Einlagerung großer Mengen Kohlenstoff, die der Atmosphäre entzogen werden. Sie jetzt in kurzer Zeit freizusetzen hat und wird Folgen haben. Auch aus diesem Grund weist Dartnell deutlich auf die kurze Existenz der menschlcihen Zivilisation hin und betont, dass es keineswegs sicher ist, dass die tiefgreifenden Veränderungen an unserem Planateten und unsere Herrschaft über die Natur in einen Fortbestand der Menschheit münden werden: als Geschöpfe der rerde unterliegen wir den Naturgesetzen, auch wenn unsere menschliche Hybris uns glauben lässt, dass wir alles im Griff haben.
Lewis Dartnell ist ein erstaunliches Buch gelungen, dass auch in Detailfragen (das Wahlverhalten der Briten und Amerikaner ist zum Beispiel deutlich von Meeresarmen beeinflusst) verblüffende Erkenntnisse liefert über die weitreichenden Einflüsse des Planeten, seiner Geologie und Struktur auf den Menschen und seine Entwicklung. Zugleich macht Dartnells Buch deutlich, welche großen Zeiträume und Zusammenhänge astrobiologischer, geologischer und klimatischer Art unsere Erde geformt und letztlich uns als einigermaßen intelligente Tierart hervorgebracht haben. Eine überaus bereichernde, intellektuell anregende Lektüre, die ich all jenen gerne empfehle, die gut gemachte Sachbücher zu schätzen wissen.