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Gott gibt es wohl nicht / Patrick Lindenfors. Illustriert von Vanja Schelin. Übersetzt von Rainer Lippold

Kinder kommen ohne Glauben, ohne Religion auf die Welt. Ob sie einen Glauben haben oder haben müssen, hängt meistens von ihren Eltern ab und nicht von einer eigenständigen Abwägung und Entscheidung durch die Kinder selbst. Der schwedische Evolutionsbiologe und Atheist Patrick Lindenfors nimmt diese Gedanken zum Ausgangspunkt seiner Reflexionen über Religion, Glaube und Götter.

Differenziert legt er dar, weshalb Gott und Götter eine Erfindung menschlicher Phantasie sind und nicht an Götter zu glauben keinesfalls ebenso ein Glaube ist wie der Götterglaube (ein gerne wiederholtes Argument von Gläubigen, das durch Wiederholung nicht besser wird). Im weiteren stellt er die drei größten Religionen der Welt mit ihren auf das Wesentliche reduzierten Merkmalen vor und stellt die verschiedenen Gründe für den Glauben an Gott oder Götter vor und entlarvt sie als vorgeschobene, leicht widerlegbare Glaubensbegründungen: Gott als erster Beweger, als Erklärung für früheres Nichtwissen, als Ausrede bei komplexen Fragen, als nebulöses allumfassendes Sein, unsichtbarer Freund, Lebensretter, Konstrukteur, Künstler oder Offenbarung, Trost, Gesetz oder Inspiration.

Natürlich darf auch Russels Teekanne nicht fehlen (meine atheistische Lieblingsargumentation, die die Absurdität aller sogenannten Gottesbeweise wunderbar vor Augen führt) und das seit Jahrhunderten immer wieder vorgeholte und erschöpfend diskutierte Theodizeeproblem, dass sich gar nicht stellt, wenn es sowieso keine Götter gibt. Lindenford beschäftigt sich auch ausführlich mit Geboten und Verboten und den heiligen Schriften der drei in den Mittelpunkt gestellten Religionen: dabei macht er deutlich, dass viele überlieferte Glaubensinhalte und Gebote in lange zurückliegenden Zeiten geprägt wurden und damit längst überkommen sind. Außerdem ist Ethik für Lindenfors eine sich stetig im gesellschaftlichen Diskurs verändernde Sache und kann nicht ein für alle Mal festgeschrieben werden.

Lindenfors plädiert leidenschaftlich für das genaue Hinsehen: wenn es Gott gäbe und alles stimmt, was in heiligen Büchern steht – dann müssten wir es auch genauso befolgen. Wenn diese Bücher aber von Menschen gemacht wurden, sind es nur gewöhnliche Bücher, die nicht mehr Aufmerksamkeit verdienen als andere Bücher. Die Religion kann für sich nicht reklamieren, der einzige Bereich zu sein, „in dem Fehler und Unrichtigkeiten unwiedersprochen bleiben“ (S. 78). Die Wirklichkeit, von der Entstehung des Sonnensystems bis hin zur Evolution, so Lindenfors, ist ohnehin viel spannender als die armselige, reduzierte Welt der heiligen Schriften und Religionen.
Lindenfors schliesst mit einem Plädoyer für die Freiheit des Nicht-Glaubens, die

„Freiheit, nicht an die von anderen erfundenen Superwesen glauben zu müssen. – Freiheit vor einer ewigen Strafe, die andere erfunden haben. – Freiheit zu denken, was man will. – Freiheit davon, verurteilt zu werden, weil man das „falsche“ Essen isst oder den „falschen“ Menschen liebt. –
Nicht zu glauben, heißt zu verstehen, dass wir Menschen nur einander haben. Und das ist großartig genug!“ (S. 92)

Lindenfors ist ein wunderbares kleines Buch gelungen, dass junge Leserinnen und Leser unterstützt, in Glaubensdingen eigene Gedanken zu entwickeln und religiösen Zweifeln nachzugehen. Jedem, der sein Kind wirklich offen und frei erziehen möchte, kann dieses klug und mit feinem Humor seine schlüssigen Argumentationen und Gedanken entwickelnde Buch ans Herz gelegt werden. All jenen sollte es als Pflichtlektüre auferlegt werden, die bereits kleinen Kindern eine Glaubensentscheidung aufzwingen – was seinen schlimmsten Ausdruck in den letztjährlich zu Recht heftig diskutierten Verstümmelungen von wehrlosen Säuglingen und Kindern findet.
Als gute Grundlage für Diskussionen mit irritiert aus dem Religionsunterricht heimkehrenden Grundschulkindern ist der unaufgeregt und ohne missionarischen Eifer sein Thema vortragende Lindenfors sehr gut geeignet, können doch einzelne Argumentationen durch die einfache (aber nicht vereinfachende!) Sprache des Autors auch gut heruntergebrochen werden auf das Niveau kleinerer Kinder ab etwa 8 Jahren. Zum Selberlesen, Selberdenken und diskutieren ist das Buch ab etwa 11 bis 14 Jahren gut geeignet.

10 Kommentare zu “Gott gibt es wohl nicht / Patrick Lindenfors. Illustriert von Vanja Schelin. Übersetzt von Rainer Lippold

  1. Schön dieses Büchlein so intelligent besprochen hier wiederzufinden. Als Mutter die ihre Söhne in der Grundschule anfänglich dem Religionsunterricht ausgesetzt hat mit dem Hintergedanken, dass unsere Kultur vom Chrsitentum geprägt wurde und Infos darüber zur Allgemeinbildung zählen, wurde mir schnell klar, auch aufgrund von intoleranten Lehrerpersönlichkeiten, dass dies der falsche Weg ist. Es ist genau das Richtige für die von dir beschriebenen „irritierten Grundschüler“ . Falls du es noch nicht kennst: „Jesus wäscht weißer“ von Bruno Ballardini ist für Jugendliche interessant.

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    • Zum Glück ist der „Religionsunterricht“ an der Grundschule meiner Kinder relativ religionsfern. Aber mir würde es schon besser gefallen, wenn es wie in Brandenburg wäre: dort heisst es LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religion) und ist sehr viel breiter und neutraler angelegt. Aber zum Glück gibt es ja wenige, aber immerhin einige Bücher für Kinder, die sich mit dem Thma „Glauben“ nicht einseitig auf „Traktätchenniveau“ annähern. Dake für den Tipp zu Ballardini, den ich noch nicht auf dem Leseradar hatte!

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  2. Ich bin religiös erzogen worden. Aber dennoch habe ich es geschafft, mich selbst von jeglicher Form von mystischem Gedankengut zu befreien, worüber ich wirklich froh bin. Was mich nur immer wieder betrübt sein lässt ist, dass meine Familie und Freunde mehrheitlich christlich sind oder nicht darüber nachdenken, warum sie „ungläubig“ sind. – Da ist es angenehm, über die Existenz solcher aufklärenden Bücher und zugehöriger Leute etwas zu erfahren!

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    • Leider sind ja viele Leute „gläubig“ oder eben „ungläubig“, können aber gar nicht begründen, warum. Und leider gibt es endlos viele (und zumeist unglaublich kitschige) Bücher für Kinder über die Bibel, andere Religionen etc., aber wenig Literatur, die Kinder zeigt, dass es auch andere, nicht religiöse Auffassungen gibt und es sehr überzeugende Argumente dafür gibt, die man sich als freier Mensch zumindest einmal anhören sollte, bevor man sich entscheidet. Wenn man denn eine Chanc hat sich zu entscheiden …

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      • Ich finde, man sollte sich in den meisten Dingen sowieso nie „fest entscheiden“, was man glaubt – höchstens, was man NICHT glaubt. Denn die durch Logik und Empirie hervorgerufenen Erkenntnisse könnten uns jederzeit eines besseren belehren, in dem, was wir glauben.
        Aber es stimmt: Man sollte eben diese Chance haben, sich gegen einen oktroyierten Glauben auflehnen zu können.

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      • Das übliche „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gibt es keinen Gott“ (wie etwa bei der atheistischen Buskampagne) reicht mir auch völlig aus. Falls ich irre und doch geröstet werde, treffe ich dort ja auf jeden Fall ein paar Freunde wieder. Gemeinsam geröstet werden macht ja bekanntlich mehr Spaß …

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      • Wobei das „Geröstet-werden“ noch unwahrscheinlicher ist, als die Existenz Gottes. Denn man kann herausfinden und beweisen, was nach dem Tod eines Menschen mit demjenigen geschieht. Aber Gottes „Nicht-Existenz“ ist bislang unbeweisbar. Dennoch kann es passieren, dass Sie und ihre Freunde von Gläubigen geröstet werden …

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      • Ein geschickter Atheist dreht das Ganze argumenativ natürlich jetzt sofort um und kontert sofort mit Russells Teekanne … aber das ist ein ganz anderes Thema und bereits in den hier vorgestellten Büchern hinlänglich dargestellt (und besser, als ich das könnte) 😉
        Ach ja, das Rösten. Ich warte das gelassen ab und stecke mir schon mal ein paar apart riechende Gewürzmischungen in die seelische Herrenhandgelenktasche. Man will ja wenigstens schmackhaft riechen … 😉

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  3. Hallo Jarg! Vielen Dank für diese beiden Rezensionen von Kinder-/Jugendbüchern zum Thema Atheismus! Ohne dich wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass es „sowas“ gibt. Sobald meine Tochter alt genug ist, werde ich sie bestimmt mit ihr zusammen lesen/vorlesen/diskutierten. Schlimm finde ich wirklich das, was du schilderst: Dass solche Bücher im Vergleich zu x Varianten von Kinderbibeln keinen Platz in Buchhandlungen haben. Oder vielleicht nur in wenigen. Und es tut mir auch sehr Leid, dass du scheinbar mit nicht gerade konstruktiven Kommentaren beworfen wurdest. So viel zur moralischem Handeln durch Religionen…

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    • Danke dir für den freundlichen aufbauenden Kommentar.
      Zum Glück sind ja nicht alle Menschen so extrem – die extreme fallen halt nur mehr und in diesem Falle unangenehm auf. Der Mensch ist halt ein Herdentier, und für manche scheint es unerträglich, dass jemand nicht zu ihrer Herde gehören will.
      Herzlich grüsst
      Jarg

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