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So komme ich in die Hölle / Jörg Schneider

Natürlich kann man nicht abstreiten, dass Glaube vielen Millionen Menschen ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Trost und Hoffnung vermittelt. Aber allein der bloße Glaube daran macht die Hypothese, dass tatsächlich irgendwo ein Gott existiert, der sich schon um einen kümmern wird, nicht zwingend glaubhafter. Wenn man daran glauben würde, dass im eigenen Garten ein wertvoller Piratenschatz versteckt wäre, gäbe einem das sicherlich auch ein gewisses Gefühl von Sicherheit und Hoffnung. Dummerweise gibt es aber nichts, was diesen Glauben, sei es an einen Gott oder eben an einen Piratenschatz im Garten, auch nur annähernd rechtfertigen würde. Gottes Existenz „beweist“ lediglich ein heiliges Buch, von dem allen Ernstes behauptet wird, dass dessen Inhalt nach den höchstpersönlichen Vorgaben des Schöpfers des Universums zusammengetragen und niedergeschrieben wurde. Vor einem Gericht – es sei denn dem jüngsten – käme man damit wahrscheinlich nicht durch. (S. 206

Der Markt für Reiseführer ist unüberschaubar groß, aber einer für den Weg in die ewige Verdamnis fehlte bisher. Zum Glück füllt Jörg Schneider mit „So komme ich in die Hölle“ etliche Wissenslücken zu diesem Themen, Wissenslücken, die sich ja leider sehr oft gerade bei Gläubigen finden lassen. Endlich erfahren wir, wie fest man beim Steinigen werfen darf, warum Gott kein Hippie ist und warum es für christliche Gläubige (was wenige befolgen) laut Bibel unabdingbar ist, sich „Quasten an den Zipfeln ihrer Kleider […] und blaue Schnüre auf die Quasten an die Zipfel“ machen zu lassen.

Ausgesprochen bibelkundig zeigt Schneider (unter anderem Autor für Titanic, taz, Eulenspiegel und Frankfuerter Rundschau), die Absurdität biblischer Regeln und Glaubenskonstrukte auf. Dabei lässt er wohltuenderweise jeglichen Respekt vor heiligen Schriften im Allgemeinen und der Bibel im Besonderen fahren und dringt zum ausgesprochen marode konstruierten Kern insbesondere des christlichen Religionsfundamentes vor. Dabei rechnet er en passant auch mit der Beliebigkeit vieler Christen, absurde, menschenverachtende und totalitär-grausame Bibelstellen zu übergehen oder als „Auslegungssache“ zu bezeichnen, ab und legt ironisch-sarkastisch den Finger in die Wunde skurriler Glaubensbegründungen und -erfahrungen sowie in einander widersprechende Aussagen in der hier schwerpunktmäßig behandelten christlichen Glaubenserzählung namens Bibel.

Ganz klar: Schneider deklassiert Gläubige nicht pauschal als mit verminderter Vernunft ausgestattete Menschen. Diffamierung oder intellektuelle Degardierung ist seine Sache nicht, wohl aber der humorvolle Hinweis auf den in Glaubensfragen vorhandenen blinden Fleck, den es im durchaus intektuell geschulten Blick auf die Welt gibt und der übliche Verfahren zur möglichst objektiven, kritisch-rationalistischen Weltbetrachtung nonchalant ausser Kraft setzt – den es geht ja schliesslich um den Glauben, bei dem all das nicht gelte. Hier trifft er sich mit Peter Henkels „Irrtum Unser“, das kürzlich hier rezensiert wurde:

Und auch im Schlußkapitel dieses Buches gilt es abschliessend nochmal festzuhalten, dass es hier keinesfalls darum geht, jeden gläubigen Menschen zum rückständigen Vollpfosten zu degradieren, sondern einzig und allein darum, die absurde Lächerlichkeit religiöser Dogmen darzustellen, denn letzten Endes kann sich der Gläubige (egal welcher religiösen Ausrichtung) nur auf eine einzige und alleinige, mutmaßlich unumstößliche Wahrheit seiner jeweiligen heiligen Schrift berufen (S. 207)

Intensiv widmet Schneider sich auch der angeblichen Allmacht Gottes als Weltenschöpfer, die in abstrusem Gegensatz zur detailfreudigen Regelungswut des Herrn und Meisters steht. Statt zu delegieren, wie das moderne Chefs tun sollten, widmet er seine Aufmerksamkeit auch noch den größten Nebensächlichen (etwa im Verhältnis der Geschlechter) und sieht und bestraft natürlich jedes voreheliche „Erkennen“, während er gleichzeitig etliche Millarden Galaxien verwaltet. Aber klar, ob Gert und Trude „es“ ein Jahr vor der Hochzeit auf einem Moosbett im Wald treiben ist natürlich ähnlich wichtig wie die ausgefeilte Planung und Durchführung der Kollision von zwei Galaxien in einem 13,7 Milliarde Jahre alten Universum. Wunderbarerweise finden sich die angestaubten antiken Glaubensinhalte ja auch weit verbreitet im Internet wieder, was für den Satiriker Schneider einen besonders absurden Reiz hat:

Ein ganz besonders schöner, weil integrativer Gedanke ist es dementsprechend auch, Menschen, die sich nach wie vor blindlings von den martialischen Wertesystemen eines antiken Buches führen lassen – dessen Regeln Abermillionen Menschenleben auf dem Gewissen haben – in einer neuen virtuellen Welt zu finden, mit deren Möglichkeiten sie den Ungläubigen eine gewisse Aktualität jener archaischen Glaubensvorstellungen, denen sie selbst folgen, vorgaukeln.(S. 163).

Ein kurzweiliges Buch über die Irrungen und Wirrungen eines antiken Glaubens- und Wertesystems und zugleich eine amüsante Wegbeschreibung zum Höllenfeuer: der etwas andere Reiseführer eben. Bleibt nur, eine höllisch gute Lesereise zu wünschen.

12 Kommentare zu “So komme ich in die Hölle / Jörg Schneider

  1. Lieber Jarg,

    verbindlichsten Dank für die angenehm unaufgeregte Rezension meines aktuellen Buches. Derlei Übungen freuen natürlich immer zu lesen. Hier: mal – passend zum anstehenden Fest der Liebe – der Link zu einem kleinen Lesungsmitschnitt.

    Beste Grüße,
    Jörg

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    • Lieber Jörg,
      danke für den gewissermaßen „autorisierten“ Besuch auf Jargsblog. Und: gern geschehen! Das Buch war gewissermaßen einfach köstlich und substantiell zugleich.
      Vielen Dank auch für den Link, den ich gerne zur Beförderung der nachhaltigen Rezensionswirksamkeit mit einbinde.
      Aus dem flutdurchspülten Hamburg grüsst herzlich
      Jarg

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      • Lieber Jarg,

        ebenfalls gern geschehen bzw. ich habe zu danken.

        Einmal mehr beste Grüße (und hoffentlich trockene Füße für Dich und die Deinen),
        Jörg

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      • Lieber Jörg,
        hier ist alles wieder trocken. Wir bauen ja zum Glück ganz auf Deiche hier – da überleben deutlich mehr als in windigen Archen 😉
        Herzlich gruesst Jarg

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  2. Guten Morgen, Jarg,
    das Buch passt gerade sehr gut zu meinem Studium. Um die Bilder bis zum Mittelalter verstehen zu können, muss ich viel Bibelfester sein als ich es bin. Ich habe ein solides Grundwissen und denke, dass das auch wichtig ist, um unsere Kultur zu verstehen. Aber es gibt vieles was ich nicht weis, z.B. finden wir die vier Kirchenväter oder die Propheten und Märthyrer oft auf Bildern. Es ist sehr trocken, das alles zu lernen und so denke ich, dass das Buch mir amüsant Wissen vermitteln kann.
    Und merken wir uns nicht mit Humor die Tatbestände viel leichter?
    Ich wünsche dir und deiner Familie einen schönen Adventsonntag von Susanne

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    • Liebe Susanne,
      ganz bestimmt geht das mit Humor besser. Dem Buch fehlen leider Bilder und natürlich geht es das Thema eher satirisch an statt kunstwissenschaftlich-ikonografisch, wie Du es brauchst. Aber amuesant ist es allemal.
      So, jetzt muss ich mir blaue Zipfel an die Quasten der Schnüre … ach egal, im Zoo wird das nicht so wichtig sein.
      Zauberhaften Sonntag Dir!
      Jarg

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