Trotz aller Digitalisierung, Googlemaps, dem Siegeszug von Navigationsgeräten und -apps und all ihren Vorteilen haben Landkarten für mich nichts von ihrem Zauber verloren: zum einen, weil sie um Gegensatz zu den modernen Navigations- und Orientierungsmethoden einen weiteren Blick auf das Gebiet erlauben, in dem ich mich befinde, seine Einordnung in die Umgebung deutlich machen und einen Dinge entdecken lassen, die man bei geradliniger Navigation von A noch B und dem entsprechend schmal gewordenen Blick nie entdeckt hätte. Zum anderen, weil Landkarten immer noch zu Träumen anregen von der fernen weiten Welt.
Im Gegensatz zu unserem Zeitalter der weitestgehenden freien Verfügbarkeit vieler kartographischer Informationen waren Karten in früheren Jahrhunderten regelrecht Gold wert: sie waren Statussymbole, vor allem aber auch Navigationsmittel für die aufkommende Schifffahrt, aber auch für Reisen zu Lande und enthielten manchmal auch Reisewarnungen (vor bizarren Fantasiegestalten) oder sensationsheischende touristische Hinweise auf die Bewohner, ihre bizarren Sitten oder ihre ungewöhnliche Anatomie. Zusätzlich waren sie aber auch Dokumente tatsächlicher oder vermeintlicher Entdeckungen: hier setzt das vorliegende Buch an. Edward Brooke-Hitching, familiär vorbelasteter Bücher- und Kartensammler, stellt in seinem Buch über 50 kartografische Kuriositäten, Lügen und Mythen vor, die sich zum Teil bis in unser Jahrhundert gehalten, ja es in einem Fall sogar auf Google-Maps geschafft haben, obwohl ihr Vorhandensein nicht selten zweifelhafter, oft aber auch fiktiver Natur war, auf fehlerhafter Ortung oder bewusster Täuschungsabsicht beruhte.
Die vorgestellten Beispiele umfassen dabei eine große Bandbreite von Irrtümern und Lügen, deren Urheber zum Teil respektable, anerkannte Forscher, zum Teil aber auch notorische Lügner, übermütige Witzbolde oder eigennützige Windbeutel waren. Brooke-Hitching, der eine große Leidenschaft für historische Forscher und Entdecker hat, erweist sich dabei als äußerst kundig in seiner Materie und verknüpft die einzelnen Beiträge, sofern Gemeinsamkeiten bestehen bezüglich handelnder Personen oder der Art und Weise, wie die irrtümlich kartographierte Entdeckung aufbereitet und über die Jahrhunderte tradiert wurde. Klassische Mythen wie El Dorado, Sankt-Brendan-Insel und Atlantis zählen ebenso dazu wie die sagenhaften, angeblich quer durch Afrika laufenden Kong-Berge, das eigenartige Wak Wak, das manche für Japan halten oder das eigenartige inexistente Fürstentum Poyais, das in betrügerischer Absicht zur Kolonisation aufrief und etliche Menschen um Geld und sogar ihr Leben brachte.
Manche fiktiven Orte hielten sich wacker über Jahrhunderte an derselben Stelle, andere wanderten auf den Karten über zum Teil grosse Distanzen. Ihnen allen ist gemein, dass sie die Menschen nicht nur zur Zeit ihrer Entdeckung bewegten, sondern immer wieder Anlass zu manchmal beiläufigen, nicht selten aber auch absichtsvoll mit einer Expedition verbundenen Überprüfung waren. Einige der kartographischen Phantome motivierten Menschen auch, aus lauter Hoffnung ins eigene Verderben zu reisen oder viel Geld in eine aussichtslose Reise zu stecken.
Die Entdeckungen des Benjamin Morrell, die ebenfalls in die Liste der kartographischen Aufschneidereien gehörten, dürfen natürlich auch nicht fehlen. Aber auch die oft postulierte, am Ende aber doch etwas anders lokalisierte und geformte Terra Australis macht der Autor zum Thema in diesem überaus reichhaltig mit Abbildungen und Ausschnitten aus historischen Karten ausgestatteten, schön gemachten Buch, das en passant den Beweis liefert, dass Fake News nicht erst eine Erfindung unserer Zeit sind. Ein opulentes, fundiertes und spannend zu lesendes Werk für alle Landkartenfreunde und Atlasfetischisten.
Lieber Jarg,
das ist ja ein Buch so recht nach meinem Geschmack. In der Arktis bei der Suche nach der NW Passage wurden wegen optischer Täuschungen einige nicht-existierende Insel gesehen, die dann auf Karten aufgenommen wurden.
Danke für deine Vorstellung.
Frohe Feiertage
Klausbernd 🙂
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Lieber Klausbernd,
über nicht-existierende Inseln unweit der NW-Passage steht auch etwas drin in dem Buch, dass übrigens auch Lust macht, sich mal wieder mit Entdeckern zu beschäftigen.
Ein sonniges Aprilwochenende wünscht dir und den Buchfeen Jarg aus dem überaus sonnigen Hamburg
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Per Zufall in den Bücherhallen entdeckt und sofort (also gestern) nach Hause geschleppt. Bin bisher begeistert. Vielen Dank dafür!
Liebe Grüße, schöne Ostern
Christiane
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Liebe Christiane,
gern geschehen – und schön, dass es dir in den Bücherhallen gleich hegegnet ist.
Weiter viel Spass, feine Feiertage und liebe Grüsse
Jarg
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Ich liebe alte Landkarten. Ein schöner Buchtipp, vielen Dank!
Grüße
Anton
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Gern geschehen, lieber Anton.
Feine Feiertage wünscht dir Jarg
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Vielen Dank, Dir auch schöne Feiertage!
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Etwas verspätet: Danke. Und ein zauberhaft sonniges Aprilwochenende.
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und als zweites auf meiner Wunschliste: Joshua Foer – Atlas Obscura: Entdeckungsreisen zu den verborgenen Wundern der Welt
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Oh, das klingt auch gut! Danke für den Tipp und feine Feiertage!
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