Bücher über wirkliche Verbechen laufen ja immer gut, besonders wenn viele gruselige Details die müde Fantasie des nach Aufregung suchenden Lesers bedienen. Das Buch des Berliner Strafverteidigers Ferdinand von Schirach ist anders: auf den ersten Blick erscheint es geradezu kühl und distanziert geschrieben, mit einer klaren, unaufgeregten Sprache, um sachliche Schilderung der Ereignisse bemüht: ein Drogendeal, der aufgrund eines von einem Hund verschluckten Schlüssels absurd und tragisch eskaliert; eine Frau, die jahrelang gequält wird und schliesslich ihren Mann tötet; die braven Männer, die auf einem Volksfest eine Vergewaltigung begehen, die nie gesühnt wird durch eine Wand des Schweigens; der Mann, der unschuldig des Mißbrauchs eines Mädchens bezichtigt wird und jahrelang einsitzt, bis das Verfahren nach seiner Entlassung nach dranatischen Umständen wieder aufgenommen wird. Doch Ferdinand von Schiracht hat sich im Alltag eines Strafverteidigers, dem nichts mehr fremd zu sein scheint, den Blick für das Menschliche bewahrt. Seine genauen Beobachtung führen zu Fallstudien von großer erzählerischer Wucht und Dichte, loten aus, wie unvermittelt ein Mensch nah an den Abgrund geraten kann und zeigen, dass Verbrechen und Schuld nicht immer verbunden sein müssen. Ein eindrucksvoller Buch von großer inhaltlicher und sprachlicher Qualität.
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