Menschen, die vm Meer fasziniert sind, kennen vielleicht schon Hamilton-Patersons weitgespannte Meditation über das Meer namens „Seestücke : Das Meer und seine Ufer“ und die faktenreichen Reflexion „Wasserspiele“ über das Leben am und im Meer (zugleich ein Pladoyer für das Einzelgängertum. Beide Bücher des englischen Journalisten, Reiseschriftstellers und Romanciers sind in den 1990er Jahren erschienen und von ausgesprochen hoher inhaltlicher und literarischer Qualität.
Mit „Vom Meer“ legt Hamilton-Paterson eine Sammlung von früher in Zeitungen und Zeitschriften erschienenen Reportagen vor, die er für das Buch überarbeitet und aktualisiert hat. Und wieder gelingt es ihm, über die bloße Beschreibung, über Fakten und Erlebnisse hinauszugreifen: er erschliesst uns überraschende, erschreckende und schöne Facetten dieser faszinierenden, bedrohlichen und bedrohten Welt, sachlich und scharfsinnig, ohne zu trocken zu werden, poetisch, ohne in Pathos oder Schwulst, pointiert, doch ohne Moralisierung, persönlich und selbstironisch, doch mit genug Distanz zu sich selbst. So der Leser Hamilton-Patersons gelassenem, sachlichem und stilistisch meisterhaften Erzählfluss folgt, taucht er ein in dieses flüssige Universum und sieht manches eigene Klischee und Vorurteil, manche romantisierende Vorstellung plötzlich in Frage gestellt, ohne dass dadurch der Reiz des Meeres getrübt würde.
„Vom Meer“ erzählt von der anderen Seite der ach so sanften Delfine, berichtet vom Mondregenbogen, Meeresungeheuern und dem grünen Blitz, vom vielbeschworenen und geknipsten ewigen Sonnenuntergang und den unsichtbaren, fatalen Zerstörungen des Meeresbodens durch die Fischerei. Wir lesen von Mythen und Legenden, von bizarren Meeresbewohnern und menschlicher Gier, die auch der Autor bei sich selbst zum eigenen Schrecken immer wieder entdeckt.
Ein weiteres, literarisches und sprachlich ansprechendes Buch Hamilton-Patersons über das Meer von einem Autor, der sich dem Meer zuwendet wie einer unbegreiflichen, ungreifbaren Geliebten.