München, 1903. Die Mitvierzigerin Ludmilla, gutbürgerlich verheiratet, kreuzunglücklich aufgrund ihrer in Konventionen erstarrten Ehe und nächstens heimlich dem Likör zusprechend, träumt von einer winterlichen Alpenüberquerung. Als sie sich in eine Schwabingr Künstlerkneipe verirrt und von ihrem Traum erzählt, ist Henny, eine junge und weitgehende erfolglose, alleinerziehende Malerin entzückt von der Idee. Sie überzeugt nicht nur die zaudernde Ludmilla, sondern auch noch drei weitere Frauen von der Idee, darunter die heimlich lesbische, an Seelenkummer leidende Gräfin Adele, die englische Ärztin Emily, die ein düsteres Geheimnis hat, und die aus den Bergen stammende und deshalb als einzige zur Führerin taugende Magd Rosa, die ebenfalls unter ihrem Herzen ein Geheimnis mit sich herumträgt. Gegen alle Widerstände brechen die fünf Frauen auf – doch der Weg durch die Berge wird nicht nur durch die erschreckend unwirtliche Natur zum Albtraum, sondern auch durch die seelischen Untiefen und Herausforderungen, denen sich jede der fünf Frauen ausgesetzt sieht.
Monika Bittl ist es mit „Die Expedition“ gelungen, ein Gesellschaftsporträt des frühen 20. Jahrhunderts, angesiedelt in der beginnenden Münchner Boheme und mit Anspielungen an reale Personen (Henny etwa erinnert vage an Franziska Gräfin zu Rewentlow), zu verbinden mit der persönlichen Geschichte von fünf Frauen, die den Einschränkungen und Regeln ausgesetzt sind, die damals für Frauen in einer stark von Männern dominierten Welt galten. Jede von ihnen sucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Ausbruch aus der erstarrten Welt der Vorkriegsgesellschaft, sucht die Konfrontation zwischen dengesellschaftlich vorgegebenen, verinnerlichten Werten und den eigenen Sehnsüchten, Fähigkeiten und Träumen. Dabei lässt Bittl sich Zeit, ihre Protagonistinnen sorgfältig einzuführen und ihre jeweiligen Motivationen glaubwürdig zu begründen, die sie schliesslich im Gang über die Alpen zu einer Schicksalsgemeinschaft werden lassen, die in der ersten winterlichen Alpenüberquerung nicht nur die sportliche, physische Emanzipation suchen – und finden. Stets bewahr sie einen humor- und liebevollen Blick auf ihre Figuren, denen sie abwechselnd das Wort erteilt, und vermag es gleichzeitig, die Spannung bis zum Ende zu halten. Ein ausgesprochen empfehlenswerter Roman, gut recherchiert, gut aufgebaut und angenehm zu lesen.
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Danke für den Buchtipp. Bin immer auf der Suche nach neuem Lesestoff Thema Reisen oder Historical
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Gern geschehen. Mal sehen – könnte sein, dass im Juli/August aus dem Themenbereich wieder was kommt.
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bin gerade „Soweit die Füsse tragen“ am verschlingen. Es ist schon erstaunlich, wie sich unsere Sprache in nur 50 Jahren verändert. Einige Wörter kenn ich gar nicht und manchmal wundere ich mich über die Satzgliederung. Aber sehr spannend!
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Hallo Eva,
danke für den Buchtipp. Da soll es ja auch Verfilmungen zu geben …
Sprache ist wirklich sehr dem Wandel unterworfen – ich komme mir mit manchen Redewendungen ja schon alt vor, wenn ich meine Kinder reden höre 😉
Herzlich grüsst
Jarg
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Ich sehe, meine guten Vorsätze, im Neuen Jahr weniger Bücher zu kaufen, werden nicht zu halten sein bei diesen verlockenden Rezensionen…danke für den Tipp! „Die Expedition“ ist vorgemerkt.
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Keine Ursache! Viel Spaß bei der Lektüre … und das Buch könnte man ja auch in einer öffentlichen Bibliothek leihen, dann wäre der gute Vorsatz trotz verlockender Büchertipps noch zu retten 😉
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“ … sucht die Konfrontation zwischen den gesellschaftlich vorgegebenen, verinnerlichten Werten und den eigenen Sehnsüchten, Fähigkeiten und Träumen.“
Das klingt tatsächlich vielversprechend …. und wird in unsere Das-will-ich lesen-Liste aufgenommen.
Danke, Jarg
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Da wünsche ich gleich schon mal viel Spaß beim Lesen. Herzlich grüsst Jarg
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