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It’s teatime, my dear!: Wieder reif für die Insel / Bill Bryson

Tempo und Maßstab britischen Daseins haben etwas an sich – die Wertschätzung kleiner Freuden, eine gewisse Zurückhaltung in Bezug auf Habsucht – , das das Leben seltsam angenehm macht. Die Briten sind wirklich die einzigen Menschen auf der Welt, die man ungemein aufmuntern kann, wenn man ihnen ein heißes Getränk und einen schlichten kleinen Keks vorsetzt (S. 475)

Großbritannien ist unerschöpflich. Nirgendwo auf der Welt gibt es auf so engem Raum so viel zu bestaunen – nirgendwo hat es über einen so langen Zeitraum eine derartige Produktivität auf hohem Niveau gegeben. Kein Wunder, dass sich mein Trip nicht so anfühlte, als wäre er abgeschlossen. Ich würde niemals alles sehen können (S. 471).

Gerade in jüngeren Jahren bin ich viel durch die Welt gereist und dabei des Öfteren auch über dieses Land hinweggeflogen. Leider aber war ich – wie ich zu meiner Schande gestehen muss – noch nie da. Trotzdem ich vieles von dort schätze: den Humor, die Teekultur (obwohl ich derzeit dem Kaffee zuneige), die Literatur, so manchen feinen, kleinen Film, eine gewisse Höflichkeit, gepaart mit Understatement und so manches mehr. Wenn man aus Hamburg kommt, ist ja trotz unleugbarer familienbedingter kölnischer Mentalitätseinflüsse eine gewisse Nähe zur britischen Lebensart sowieso unvermeidlich.

Nun trifft es sich gut, dass ich Bill Brysons Bücher mag: so bin ich mit seinem aktuellen Reisebericht über eine Tour quer über die von ihm so geschätzte britische Insel auf Reisen gegangen. Bryson, der bereits vor zwanzig Jahren mit seiner Familie nach England gezogen ist, darüber ein Buch geschrieben hat und – nach einer Unterbrechung von mehreren Jahren – heute wieder dort lebt, nahm sein Bestreben, die britische Staatsbürgerschaft zu erwerben, zum Anlass, sich nochmals intensiv mit seiner Wahlheimat auseinanderzusetzen. Da er einen skurrilen Einbürgerungstest zu bestehen hatte, kommt er nicht ohne sanften Druck seines Verlegers zu der brillianten Idee, endlich einmal die beiden Punkte auf der Insel zu bereisen, die am weitesten voneinander entfernt sind. Interessanterweise sind das nicht die beiden Punkte, die man üblicherweise dafür hält, sondern nach Brysons Definition Cape Wrath und Bognor Regis: schnurstracks verbindet er die beiden mit der sogenannten Bryson-Linie, die er zur Richtschnur seiner geplanten Reise macht.

Das Buch, das er über diese Reise vorlegt, ist nicht nur – wie zu erwarten – köstlich komisch, sondern auch voller absurder Erlebnisse, erstaunlicher Geheimtipps und merkwürdiger Entdeckungen am Wegrand. Der Blick des geborenen Amerikaners auf die Briten gerät gewohnt humorvoll und doch mit großer Wertschätzung. En passant führt er uns durch kleine Absteigen und fürstliche Hotels, klärt allfällige Fragen über gegenwärtige und vergangenen, nicht selten recht seltsame britische Feriengewohnheiten und taucht tief in die Vergangenheit der Insel ein, die so bemerkenswert nachhaltig und doch unerhört bürokratisch und altertümlich vom National Trust beschützt und bewahrt wird. Über etliche bekannte und unbekannte Protagonisten aus der englischen Geschichte und Kultur fördert er erstaunliche Fakten zutage, die nicht selten verblüffen, erstaunen oder verwundern. Der alternde Bryson hat natürlich so manches Mal Grund zur Klage und zum Lamentieren über fehlende Servicementalitäten, nimmt sich selbst aber auch gehörig auf die Schippe bei dieser Tour de force durch England.

So bleibt auch am Ende für mich der Eindruck übrig, hier auf mentalen und realen Nebenstrecken durch ein Land geführt worden zu sein, dass unerhört viel zu bieten hat und mit seiner Lebensart in vielen ein Vorbold für andere Länder sein könnte – trotz Brexit und ähnlichen Seltsamkeiten. Ein lesenswertes Buch für Englandfreunde und solche, die es werden wollen.

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