
„Ihre Welt würde ohne mein Zutun zerbröckeln, genau, wie mein Vater es vorhergesagt hatte. Diejenigen, die die Hand gegen einen erheben, erheben sie gleichzeitig auch gegen sich selbst. Hätte ich ihm damals auch nur ein ganz klein wenig geglaubt, wäre ich vielleicht jetzt noch frei.“ (Brennendes Eis, D. A. Richards, S. 316).
Ein kleiner Ort in der kanadischen Provinz mit rauem Klima und ebensolchen Menschen. Terrieux, ein ehemaliger Polizist, bekommt Besuch vom jungen Lyle Henderson: durch die Rettung eines Jungen vor vielen Jahren hat er unwissentlich entscheidend dazu beigetragen, dass das Leben der Familie Henderson durch Ausgrenzung, Gewalt und Demütigung geprägt war. Der ganze Ort ist daran beteiligt bis auf zwei Menschen, die zu ihnen halten. Lyles Vater Sydney, ein äußerst belesener Arbeiter, hat in jungen Jahren in einer dramatischen Situation geschworen, in seinem Leben niemals Gewalt anzuwenden. Er zahlt einen hohen Preis dafür, denn er und seine Familie werden fortan zur Zielscheibe von Anschuldigen für Dinge, die andere begangen haben. Doch Sydney beharrt stets auf seiner gewaltlosen, duldenden Haltung und hofft, das mit dem gewaltlosen Ausharren doch noch das Gute zu seinem Recht kommt.
Auch der von Terrieux gerettete Mathew Pit gehört zu den Menschen, die die hendersons aktiv quälen, und beteiligt sich schliesslich an Planung und Ausführung eines Sabotageaktes, bei dem unbeabsichtigt ein Kind stirbt: der Mord wird Sydney in die Schuhe geschoben und seine Familie zerbricht fast daran. Lyle, voller Wut und Hass, dreht trotz der Warnungen seines Vaters den Spieß schliesslich um und sucht nach Rache …
„Doch irgendwann, während eines magischen Augenblicks, erinnert man sich auf seinem Weg durch die ferne Zukunft an jene Kinder, die in einer weit zurückliegenden Zeit auf einer kleinen, durch Windbruch entstandenen Lichtung versammelt hatten, und es erfüllt einen eine süße Trauer. Ich wollte dorthin zurückkehren, zurück in jene Zeit, die Zeit, als mein Vater für mich ein held war und ich die mir dargebotene Hand genommen hatte.“ (a.a.O., S. 361)
David Adams Richards von Michael Mundhenk ins Deutsche übersetzter Roman entführt den Leser in den Kosmos eines kleinen, provinziellen Ortes und zeichnet einfühlsam die Motive und Emotionen seiner Protagonisten nach, eingebettet in eine raue, karge Natur und die von einem gutsherrnartig agierenden Unternehmer domierte Wirtschaft und Gesellschaft des Ortes. Dabei enthält er sich jeglicher Werturteile und dringt so mit seiner Geschichte über die Intrigen gegenüber einer sozial benachteiligten Familie tief in den Kern menschlicher Motivationen und Antriebe hervor. Er leuchtet die archaischen Abgründe aus, die sich auftun können, und die geschickten Lügen, Ablenkungsversuche und Wahrheitsverdrehungen gegenüber anderen und sich selbst, die diese Abgründe gnädig zuzudecken versuchen.
Die vorwiegend in den 70er bis frühen 90er Jahren spielende Geschichte entwickelt einen enormen Sog, ist hervorragend aufgebaut und von großer sprachlicher und literarischer Kraft.
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Danke Dir, für die feine Besprechung! Werde mir Autor und Roman sicher merken!
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Wie immer gern geschehen, schreibt Jarg, aus dem Ostseeurlaub zurückkehrend und den Autopiloten von Jargsblog wieder abschaltend
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