Im Jahr 2018 gab es eine ganze Reihe herausragender Filme, von denen ich im Rahmen des letzten Beitrags zur Nachlese und wie immer in radikal-subjektiver Auswahl hier ein paar vorstellen möchte.
Ildikó Enyedi ist mit „Körper und Seele“ ein sanft zwischen Magie und Realität oszillierender Film gelungen, der seine Geschichte mit harten, zuweilen schwer erträglichen Bildern aus dem Schlachthaus und poetisch-magischen Bildern von Hirsch und Hirschkuh im Wald kontrastiert und verbindet. Dabei konzentriert sich der Film wesentlich auf Bilder, auf Details und prägnante Augenblicke und bekommt so eine subtile, im Verlauf der Geschichte zunehmende Körperlichkeit, die immer mehr an die Stelle der Sprache tritt. Der Humor ist von zarter Kantigkeit, zurückhaltend bis absurd und stellt doch seine Figuren niemals bloss. Ein wunderbarer, tief berührender Film, der mit seiner Intensität von Schauspiel und Bild lange nachwirkt.
Der Film „Schloss aus Glas“ von Destin Daniel Cretton basiert auf dem gleichnamigen Roman und Bestseller von Jeannette Walls, in dem sie ihre Kindheit verarbeitet. Die Geschichte ist eingebettet in eine Rahmenhandlung, in der die erwachsene, als erfolgreiche Journalistin in New York arbeitende Walls, deren Eltern obdachlos auf der Straße leben, auf ihre nomadenhafte Kindheit zurückblickt. Dem hervorragend besetzten Ensemble des Films gelingt es dabei, die Geschichte überzeugend und mit Tiefe in Szene zu setzen und den Protagonisten in ihrer Ambivalenz gerecht zu werden. Verbunden mit beeindruckenden Bilder, sorgfältig gestaltete zeitgenössische Kulissen und viel Emotion wird daraus ein intensives Filmerlebnis, dem man sich nicht entziehen kann. Empfohlen auch für all jene, die wie ich die Buchvorlage schätzen.
Mark Noolans erster Spielfilm „Familienbande“ überzeugt mit einer zurückhaltend erzählten tragikomischen Geschichte, die den Fokus ganz auf die beiden Hauptdarsteller legt. Aiden Gillen (bekannt u.a. aus „Game Of Thrones“) als Will und die junge, bemerkenswerte Lauren Kinsella als vorlaute Stacey überzeugen mit ihrem direkten, rückhaltlos offen erscheinenden Spiel und rauhen Dialogen. Die ungeschönt erzählte Geschichte dieser zwei ungleichen, vom Leben nicht eben verwöhnten Menschen überzeugt durch den trockenen Humor sowie den durch Melancholie abgemilderten harten Realismus und lässt einen tief berührt zurück mit dem Bewußtsein, zwei zunächst sperrige Charaktere ins Herz geschlossen zu haben.
Guillermo del Toro erzählt mit dem überaus großartig und poetisch inszenierten „The Shape Of Water“ eine spannende und zugleich tief berührende fantastische Geschichte, die um die Themen Anderssein und Liebe kreist und dazu wie ein aus der Zeit gefallener, aber überaus aktueller Kommentar zu gegenwärtigen Tendenzen des Rassismus und der Ausgrenzung erscheint. Sally Hawkins verkörpert mit großer Sensibilität und Empathie die Hauptfigur der stummen, zunächst überaus zart und zerbrechlich wirkenden, aber über sich selbst hinauswachsenden Elisa und bildet mit der schwarzen Kollegin Zelda (Octavia Spencer) und dem schwulen Giles (Richard Jenkins) ein überaus buntes Trio, dass es am Ende mit dem rassistischen, brutalen und frauenverachtenden Gegner Strickland aufnimmt. Ein Plädoyer für Toleranz und Vielfalt und zugleich eine wunderschöne Geschichte über die Liebe zwischen zwei Wesen, die bei aller Unterschiedlichkeit ihr hartes Schicksal miteinander verbindet.
Luc Besson, der mit „Das fünfte Element“ einen Sci-Fi-Klassiker geschaffen hat, gelingt mit „Valerian“ ein bildgewaltiger, rasanter und von kreativen Einfällen sprühender Film, der von schrägen und skurrilen Figuren, raschen Schnitten, Actionszenen und atemberaubenden Effekten nur so strotzt. Stringent erzählt, stürmt Bessons Film von einem Spannungshöhepunkt zum nächsten. Dabei spielen sich Dane De Haan als Frauenheld und Draufgänger Valerian und Cara Delevigne als seinen Avancen widerstehende und nicht minder kampfstarke Sergeant Laureline auch verbal wunderbar die Bälle zu, während Cliwe Owen als Counterpart Arün Filitt dagegen hält. Bestes Sci-Fi-Kino, das einen so mitreißt, dass man minutenlang vergisst, Popcorn nachzuschieben. Ein zwillingsgetesteter Film mit Klassikerpotential, den ich sehr gerne empfehle, obwohl ich bei Zitrusfrüchten jetzt immer … aber sehen Sie selbst.
Aki Kaurismäki legt mit „Die andere Seite der Hoffnung“ eine lakonisch erzählte, tief berührende Tragikomödie vor, die ein trauriges Flüchtlingsschicksal der Gegenwart in ein atmosphärisch an die 1950er Jahre erinnerndes Helsinki zurückzuverlegen scheint. Dabei enthält sich Kaurismäki wohltuend allem Pathos und zeichnet seine Figuren mit großer Einfühlsamkeit, die ihnen selbst in den komischen Szenen nie ihre Würde nimmt. Geschickt verknüpft er die Geschichte eines alternden, vom Leben enttäuschten Mannes, der wie aus der Vergangenheit gefallen scheint und einen Neuanfang mit fragwürdigen Aussichten wagt, mit dem aktuellen Schicksal des jungen Flüchtlings, der alles verloren hat und voller Hoffnung auf Nachrichten von seiner Schwester hofft. Gekonnt hält der Film die Balance zwischen dem märchenhaften Charakter der Geschichte und absurden Elementen. Ein bemerkenswerter, unbedingt sehenswerter Film, der Menschlichkeit und Empathie in den Mittelpunkt seiner Erzählung stellt.
Der Autor und Regisseur Stephen Chbosky, dessen Buch „Vielleicht lieber Morgen“ (Neu unter: „Das also ist mein Leben“. Orig.: „The perks of beiing a wallflower“) zu meinen absoluten Lieblingsbüchern gehört, legt mit „Wunder“ ein sorgfältig und mit Verve inszeniertes Drama von großer Empathie und feinem Humor vor. Der Fokus der Geschichte liegt klar auf Auggie, seiner Besonderheit, der Ausgrenzung und dem Mobbings. Trotzdem gibt der Film auch den anderen den ihnen zustehenden Raum: besonders Via, die Auggie abgöttisch liebt, obwohl sie dafür oft zurückstecken muss, aber auch Jack und andere Kinder bekommen so entsprechende Aufmerksamkeit und wir erfahren von ihrer Sicht auf die Dinge. Der Film bleibt dnicht an der Oberfläche, sondern erzählt seine Geschichte differenziert und aus verschiedenen Perspektiven, ohne in Pathos oder Kitsch abzusinken. Ein tief berührender, mit feinem Humor und einem genauen Blick brillierender Film, den man gut mit der ganzen Familie und Kindern ab etwa 10 Jahren gucken kann. Zwillingsgetestet und wärmstens empfohlen.
Tim Burton hat mit „Die Insel der besonderen Kinder“ eine opulent ausgestattete Verfilmung der literarischen Vorlage vorgelegt. Der Fantasyfilm mit Gruselelementen zeichnet sich durch liebevoll ausgestattete Kulisse und die wunderbar in Szene gesetzten und hervorragend gespielten verrückten Charaktere aus. Überzeugend entwickelt sich der von Asa Butterfield dargestellte Jacob zum Helden, der über sich hinauswächst. Burton zeigt auch hier wieder in den Effekten, der Maske und dem Aufbau der Geschichte ein feines Gespür für das Schöne im Schrecklichen und mit der Auswahl von Eva Green für die ausdrucksstark verkörperte Rolle der Miss Peregrine besonderes Geschick. Sorgfältig spannt Burton dabei die Spannung, die nach dem Tod des Großvaters und dem ersten großen Schrecken erst sanft, dann immer schneller zunimmt bis zum spektakulären Höhepunkt. Eine überaus beeindruckende, mitreissende und ästhetisch sehr ansprechende Grusel-Fantasy-Verfilmung, die zwar eine Altersfreigabe ab 12 Jahren trägt, für sensiblere Gemüter aber an manchen Stellen schon recht deutlich wird. Partiell zwillingsgetestet und sehr empfohlen.
James Gray spürt in dem Abenteuerfilm „Die versunkene Stadt Z“ den legendären Expeditionen von Percy Fawcett nach, die dieser zwischen 1906 und 1925 vor allem im Gebiet des brasilianischen Mato Grosso durchführte, um Beweise für die Legende von der versunkenen Stadt „Z“ zu finden. Der Regisseur, der sich weitgehend an die überlieferten Geschehnisse hält, setzt den Fokus ganz auf den von Charlie Hunnam gespielten Percy Fawcett und liefert einen überaus spannenden, mit starken Bildern aufwartenden Film ab, der einen schnell in den Bann zieht. Charlie Hunnam spielt Fawcett mit großer Empathie und verkörpert in dem Film einen Mann, der zwar obsessiv seinem Ziel folgt und dabei nicht selten die Grenzen seines persönlichen Umfeldes, aber auch seiner Mitreisenden überschreitet, stets aber die Faszination für fremde Kulturen, Respekt für das Fremde, Verborgene und großes Einfühlungsvermögen spüren lässt. Ein beeindruckender, spannender Film über einen Mann, der von einem simplen Landvermessungsauftrag mit dem unbedingten Willen zurückkehrt, dem Regenwald die verschütteten und überwucherten Spuren einer untergegangenen Zivilisation zu entreissen und seiner leidenschaftlichen Suche fortan sein restliches Leben unterordnet.
Bouli Lanners ist mit <a href="https://jargsblog.com/2018/02/24/das-ende-ist-erst-der-anfang-regie/“ rel=“noopener“ target=“_blank“>“Das Ende ist erst der Anfang“ eine bemerkenswerte Tragikomödie gelungen, die in einer farblosen, von der Landwirtschaft verödeten und strukturschwachen Region irgendwo in Frankreich spielt. Gilou und Cochise, lederkluftig gewandete reife Herren mit rockiger Vergangenheit, reisen mit ihrem Auftrag in ihrem Riesenauto durch die karge Gegend dieses Films, der wie ein in eine abgeranzte Moderne versetzter Post-Western daherkommt: stillgelegte Fabriken, Provinzler, die zwischen einer sich dem Schicksal fügenden Haltung und der Wut der Abgehängten schwanken. Lanners Film verknüpft auf eine absurde, fast surreale Art mehrere Geschichten, ozziliert zwischen Verlorenheit, Gewalt, Erlösung und wie beiläufig gefundener menschlicher Wärme, bis zum Ende hin immer mehr die Botschaft dieses schrägen, zuweilen düsteren, aber immer komischen Filmes mit seinen kauzigen Überlebenskünstlern durchschimmert und der Zuschauer zusammen mit den ins Herz geschlossenen Protagonisten ins Abendrot … nein, nicht reitet, sondern fährt. Ein melancholischer, mit lebensweiser Komik verbundener Film, der starke, eindringliche und auf seltsame Art schöne Bilder findet und sich en passant mit elementaren Dinges des Menschseins beschäftigt: der Einsamkeit, der Endlichkeit, dem Miteinander. Meisterhaft dabei der Spannungsaufbau, die ruhige Kameraführung, die sich auch lange Bildeinstellungen erlaubt und die Leistu8ngen der Schauspieler, die ihre Figuren mit großer Kraft und Empathie spielen. Für mich einer der schönsten Filme der letzten Monate, den ich sehr gerne empfehle.