Meine geheime Autobiographie / Mark Twain. Übersetzt von Hans-Christian Oeser

„Was für einen winzigen Bruchteil des Lebens machen die Taten und Worte eines Menschen aus. Sein wirkliches Leben findet in seinem Kopf statt und ist niemandem bekannt außer ihm“ (Mark Twain, Meine geheime Biographie. Aufbau Verlag, 2012. – S. 45)

„Was einen innerlich am meisten beschäftigt, sollte das sein, worüber man schreibt“ (S. 145)

Angenommen, Sie müssten jemandem Ihr Leben erzählen: auf welche Art und Weise würden Sie das tun? Klassisch in chronolgischer Reihenfolge? In strikter Auswahl nur der wesentlichen und gegebenenfalls vorzeigbaren Lebenstationen, Begegnungen, Erlebnisse? Würden Sie Dinge auslassen – und wenn ja, warum? Gäbe es Dinge, die Sie für zu banal erachten würden, um von Ihnen zu erzählen – und woran bemessen Sie diese Banalität?
Vom eigenen Leben zu erzählen dürfte auch heute im Zeitalter der permanenten Selbstbespiegelung nicht einfacher sein als vor einhundert Jahren, erzwingt doch eine solche Erzählung immer eine Reduktion auf das vermeintlich Wesentliche, dass aber zu gegebenen Augenblicken sowohl vom Erzähler als auch vom Zuhörer jeweils unterschiedlich in seiner Bedeutung für das jeweilige Leben bewertet werden dürfte. Dazu kommt, dass die Erinnerung oft trügerisch ist, wir dazu neigen, Dinge auszublenden, zu vermischen oder in größere Entferungen voneinander zu stellen. Fraglich ist auch, ob wir es immer ehrlich mit uns meinen würden, wenn wir aus unserem Leben erzählen ; vielleicht, weil es Dinge gibt, die uns, vielleicht, weil es Dinge gibt, die andere, noch lebende Menschen in einem seltsamen Licht erscheinen lassen mögen.

Mark Twain hat es sich nicht leicht gemacht mit seiner Autobiographie, einem Projekt, dass ihn viele Jahre mit wechselnder Intensität und Intension beschäftigt hat. Grundsätzlich hatte er Weiterlesen

Lesen auf dem E-Book-Reader 3: über die erträgliche Leichtigkeit des Seins, analoges Zitierverhalten und warum 56 = 100 ist

Scheinbar bin ich gerade im Begriff, wieder etwas über Lesefortschritte zu posten und erwecke damit möglicherweise den Eindruck, gewissermaßen selber ein Elch zu sein, obwohl ich gestern noch über statistikfanatischen Elche in der Blogsphäre verwunderte Gedanken geäußert habe. Vielleicht ist aber auch der in elektronischer Form vorliegende Mark Twain schuld, begegnete er doch auf außergewöhnliche Weise der von ihm postulierten Unmöglichkeit, eine wirkliche Biografie zu schreiben: er ging bei seinen Diktaten und Aufzeichnungen meist vom Tagesgeschehen aus und wanderte von dort aus wild mäandernd durch sein Leben. Das hört und liest sich – soviel sei vorweggenommen – für jemanden, der bisher noch nichts explizit autobiografisches von Twain gelesen hat, ausgesprochen kurzweilig und lässt einen rasch selbst in einen innerlichen Plauderton verfallen. Womit allerdings die Gefahr bestünde, dass Weiterlesen

Lesen auf dem E-Book-Reader 2: der 49-Prozent-Twain und der Unsinn von Lesechallenges und Rekord-SUBs

Ich lese normalerweise nicht gegen die Zeit und gestehe jedem Buch die Stunden zu, die es braucht, um ihm gerecht zu werden. Bei den über 1100 Seiten, die Mark Twains „Geheime Auitobiografoe“ auch in der elektronischen Ausgabe umfasst und die es in zwei Wochen zu bewältigen gilt, komme ich natürlich auch an meine Grenzen, zumal ich immer noch fremdgehe mit anderen Büchern, gelegentlich auch dieser Blog und seine Leserinnen und Leser nach Aufmerksamkeit verlangen und ich außerdem auch noch über so etwas wie zeitlich limitierende dienstliche Verpflichtungen verfüge.
Allerdings stellt sich natürlich bei einem Anmerkungsapparat von gut 400 Seiten wesentliche Fragen, ob ich nicht mittlerweile schon eher bei einem 80-Prozent-Twain bin. Möglich. Ich werde es nicht weiterverfolgen.

Ebensowenig habe ich vor, in Zukunft bei irgendwelchen Weiterlesen

Lesen auf dem E-Book-Reader 1: Umblätter-Awards und andere unerwartete Auszeichnungen

„Meine geheime Autobiographie“ von Mark Twain lese ich mittlerweile seit Sonntag – mit einem gewissen Druck, weil ich für den aus der Onleihe heruntergeladenen umfangreichen Titel nur vierzehn Tage Zeit habe und in dieser Zeit natürlich auch erste Vorbereitungen für die vorgesehene Rezension stattfinden sollen.
Noch sieht es ganz gut aus – aber die Zeit wird knapp und auf dem Kongress in Leipzig wird wenig Zeit sein, nebenbei zu lesen.

Die hohe Lesegeschwindigkeit (nein, im Gehen lese ich noch nicht) führt dann aber offenbar zu seltsamen Weiterlesen