Die Polizei in Turku steht vor einem seltsamen Fall: eine ältere, im Koma liegende Frau wird ermordet – und der Mörder hinterlässt als einzige Spur Tränen auf dem Laken. Kimmo Joennta ermittelt unter erschwerten Bedingungen, ist er doch zugleich tief beunruhigt vom spurlosen Abtauchen Larissas, die seiner andauernden Trauer Linderung brachte. Beharrlich arbeitet sich Joennta trotz seines immer wieder die Ermittlungen kreuzenden privaten Schmerzes voran – und schon bald zeigen sich Verbindungen zu eigenartigen, mit großer Kaltblütigkeit und Raffinesse durchgeführten Morden in anderen Städten. Endlich führt die Spur in ein kleines Dorf tief in der finnischen Provinz – und weit zurück in das Jahr 1985 und zu dunklen Ereignissen, die manche der Beteiligten und Betroffenen gerne vergessen hätten.
Jan Costin Wagner gelingt das große Kunststück, tief in die Gedankenwelt seiner Protagonisten einzutauchen, ohne sich dabei in Details zu verlieren: dabei setzt er zum einen den Fokus auf den depressiv erscheinenden Kimmo Joennta, dessen Ermittlungen in diesem Fall stark von seinem Privatleben und insbesondere dem an alte Wunden rührenden Verschwinden Larissas beeinflußt werden. Zum anderen gelingt es Wagner, nach und nach das Bild eines lange zurückliegenden schrecklichen Ereignisses zu malen, verbunden mit der Figur des sensiblen Mörders, für den der Leser, die Leserin im Fortgang der Geschichte und zum eigenen Schrecken eine gewisse Sympathie empfindet.
Geschickt verknüpft Wagner Rückblenden und verschiedene, in der Gegenwart angesiedelte Perspektiven der Ereignisse zu einem filigranen Handlungsteppich, der bis zum Augenblick der Auflösung und darüber hinaus seine ganz eigene, geradezu melancholisch-traurige Spannung hält, die nach der letzten Seite noch lange nachwirkt.
Wagner zeigt sich erneut als Meister des literarischen Kriminalromans, der weit über sein Genre hinausweist und sich nicht nur mit der klassischen Frage „Wer hat es getan?“ beschäftigt, sondern mit den Erlebnissen und Motiven, die Menschen zu Mördern werden lassen. Dabei findet er keine einfache Lösung für die Frage nach Schuld und Sühne: er konfrontiert uns in der Person des Mörders und in Verbindung mit dessen durchaus nicht schuldlosen Opfern mit dem moralischen Dilemma, das zwar in einem Rechtstaat mit polizeilicher Verfolgung, Anklage und Verurteilung richtigerweise Recht gesprochen, wirkliche Gerechtigkeit den eigentlichen Opfern gegenüber jedoch unmöglich sein kann.
Ein äußerst spannender Kriminalroman mit einigem Tiefgang, der in lakonisch-verknappter Sprache und atmosphärisch dicht erzählt wird und einen nicht unberührt lässt.
Klingt gut. Wird auch auf den Bestellseiten gelobt.
C,H,
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Jan Costin Wagner und seine Finnlandkrimis habe ich erst in diesem Jahr für mich entdeckt … solchen Büchern kann man den Erfolg nur wünschen und gönnen.
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Wir hatten uns ja bereits über Jan Costin Wagners besondere Art zu schreiben, kurz ausgetauscht.
Ähnlich „anders“ sind (aus unserer Sicht) auch Asa Larssons (Kriminal)romane.
L.G. dm und mb
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Die Krimis von Asa Larsson kenne ich noch nicht … aber die Bibliothek meines Vertrauens hat sie und sie sind auch ausleihbar. Da werde ich gleich zuschlagen. Danke für den Tipp!
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Ich komme im Moment kaum zum Lesen und habe immer noch nichts von Herrn Wagner gelesen (oder auch nur angefangen). Immerhin habe ich den ersten Band mittlerweile bei Tauschticket „erstanden“ und auf meinen Lese-Stapel gelegt. Deine Rezension macht mir jetzt wieder extrem viel Lust darauf!
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Den ersten und zweiten Band lasse ich mir gerade über Leihverkehr aus einer anderen Bibliothek kommen und bis auch schon gespannt. Er schreibt wirklich aussergwöhnlich gut …
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Auch dies ist wieder eine sehr schöne Rezension, die dem Autor und seinen Werken ganz und gar gerecht wird.
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Danke, Caterina!
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Hallo Jarg,
die Rezension finde ich super – auch wenn Krimis generell nicht (mehr) zu meinen Lieblingslektüren zählen. So wie du den Inhalt beschreibst, dürfte es sich um eine tiefgründige Geschichte handeln (ich mag´s tiefgründig und psychologisch! 🙂 ) – Krimiliebhaber kämen beim Lesen bestimmt auf ihre Kosten!
LG
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Jan Costin Wagners Krimis reichen ganz sicher über das Genre hinaus … also ruhig mal probieren, ob die Lektüre „schmeckt“ 😉
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